Als Nukleosid-Analoga bezeichnet man chemische Substanzen, die den natürlichen Nukleosiden in ihrer Struktur ähneln, aber nicht identisch sind. In der Medizin werden diese als Wirkstoffe aus der Gruppe der Nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (engl. Nucleoside Reverse Transcriptase Inhibitors, NRTI) eingesetzt.
Nukleoside spielen in der Biochemie des Lebens eine bedeutende Rolle, wie zum Beispiel als Bausteine von RNA und DNA; dies gilt auch für pathogene Organismen wie den Viren. Als medizinische Wirkstoffe bei Mensch und Tier werden den Viren über die Gabe entsprechender Arzneimittel Nukleosid-Analoga angeboten, die diese in ihren Stoffwechsel als Antimetaboliten einbeziehen. Im Resultat hemmen die Substanzen die virale Replikation, weil die Analoga nur strukturell ähnlich sind und vor allem nicht die Funktion der natürlichen Nukleoside erfüllen; das Virenwachstum wird verlangsamt.
Nucleosid-Analoga werden besonders gegen Infektionen durch Retroviren eingesetzt. Die Substanzen werden erst nach Aufnahme in die Zelle durch die intrazelluläre Phosphoylierung aktiviert, wobei drei Phosphatreste auf die Moleküle übertragen werden. Die nun bioaktiven Wirkstoffe werden an Stelle der Nukleoside als falsche Bausteine in RNA oder DNA von den beteiligten biochemischen Systemen eingesetzt, was zu einer Unterbrechung der neu gebildeten Molekül-Ketten und damit zum Abbruch der Biosynthese führt.
Besondere Herausforderung bei der Entwicklung entsprechender Wirkstoffe ist die Tatsache, dass auch die Zellen bzw. die mitochondriale DNA des erkrankten Wirts auf die Analoga ansprechen und dementsprechende Nebenwirkungen (Knochenmarksuppression u. a.) verursachen können. Da die Mittel intrazellulär wirken liegt die chemisch-strukturelle Kunst darin, das Wirkstoffdesign so zu gestalten, dass das Analogon zwar in die Zellen des Krankheitserregers eindringt, die Wände der Wirtszellen jedoch nicht passieren kann. Dies erreicht man beispielsweise durch so genannte Prodrugs - Wirkstoff-Vorstufen - , die bestimmte Substituenten tragen, um etwa die Phosphat-Gruppen des aktiven Wirkstoffs zu maskieren. Das erleichtert das Eindringen durch die Zellmembran hin zum Wirkort. Im Zellinneren schließlich werden diese Substituenten enzymatisch abgespalten, das Nucleosid-Analogon freigesetzt und enzymatisch phosphoryliert, so dass es seine Wirkung entfalten kann. Ein Beispiel hierzu ist das Aryloxyphosphoramidat-Prodrug-Konzept ProTide (PORdrug nucleoTIDE).
Einige Nukleosid-Analoga
Auswahl der Nukleoside und dazugehörige, strukturverwandte Substanzen, die als Wirkstoffe eingesetzt werden.
Nukleosid | Verwendete Analoga |
---|---|
Adenosin | Galidesivir (BCX4430, Immucillin-A) Remdesivir |
Deoxycytidin | Cytarabin Gemcitabine Emtricitabin Lamivudin Zalcitabin |
Deoxyuridin | Idoxuridin Trifluridin |
Desoxyadenosin | Didanosin Vidarabin |
Guanosin / Deoxyguanosin | Abacavir Aciclovir Entecavir |
Thymidin / Deoxythymidin | Stavudin Telbivudin Zidovudin (Azidothymidin, AZT) |
Letzte Änderung am 23.04.2020.
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