Neue Erkenntnisse zur Rolle des Enzyms RNA-Polymerase
II im Fachmagazin Science veröffentlicht.
Neuherberg. In einer Ausgabe des renommierten Fachmagazins Science
(siehe unten) veröffentlichten Prof. Dirk Eick und Mitarbeiter vom
Institut für Klinische Molekularbiologie und Tumorgenetik des GSF -
Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit zusammen mit der
Arbeitsgruppe von Dr. Shona Murphy, Universität Oxford, England, zwei
Artikel. Diese liefern Puzzle-Stücke zur Beantwortung der Frage, wie die
Evolution in den letzten 500 Millionen Jahren die Entwicklung von hoch
komplexen Organismen vorangetrieben hat, indem sie bereits vorhandenen
Gene intelligenter genutzt hat.
Die Entwicklung höherer Lebewesen wurde durch das Enzym RNA-Polymerase
II maßgeblich beeinflusst. Dieses Enzym überschreibt die genetische
Information der Erbsubstanz DNA in eine Boten-RNA - die so genannte
messenger-RNA oder kurz mRNA -, die ihrerseits die Basis für die
Synthese von Proteinen ist. In der Evolution ist die RNA-Polymerase II
hoch konserviert, das heißt wesentliche Merkmale blieben selbst
zwischen weit voneinander entfernten Organismen wie Bakterien und
Menschen unverändert.
Vor über 500 Millionen Jahren gab es auf der Erde bereits Einzeller
mit tausenden von Genen für unterschiedliche zelluläre Funktionen. Die
Entwicklung schien zu immer mehr Genen mit immer neuen Funktionen zu
gehen. Für einen hoch komplexen Organismus wie den Menschen hätte
diese Entwicklung möglicherweise zu einigen Millionen Genen geführt.
Umso überraschter waren die Wissenschaftler, als die Analyse des
Humangenoms ergab, dass der Mensch nur etwa 25.000 Gene besitzt und
damit nicht viel mehr als der Fadenwurm oder die Taufliege mit 15.000
bis 20.000 Genen. Offensichtlich ist die Evolution in den letzten 500
Millionen Jahren einen anderen Weg gegangen, um die Entwicklung von
hoch komplexen Organismen voran zu treiben: sie hat die bereits
vorhandenen Gene intelligenter genutzt. Aber wie hat sie das
bewerkstelligt?
Die Arbeiten von Prof. Dirk Eick und Dr. Shona Murphy gehen auf die
schon früher gemachte Beobachtung zurück, dass die Expression eines
Gens nicht nur durch die Bindung des Enzyms RNA-Polymerase II an den
Genort reguliert wird, sondern auch während der Ablesephase, wenn die
Information eines Gens von DNA in RNA überschrieben wird. Während
dieser Phase können Teile aus der neu synthetisierten RNA sofort
wieder entfernt und die verbliebenen Reste neu miteinander kombiniert
werden. Dabei kann die Neukombination der RNA so stark ausgeprägt
sein, dass von einem Gen letztlich mehrere tausend unterschiedliche
mRNAs - und damit Informationsträger für viele tausend
unterschiedliche Proteine - erzeugt werden.
Welche funktionelle Einheit der RNA-Polymerase II reguliert diese
zusätzliche Vielfalt? Beim Menschen ist dafür eine Struktur aus 52
Wiederholungen einer Sequenz von sieben Aminosäuren verantwortlich. Im
Fachjargon heißt sie "carboxyterminale Domäne" oder kurz CTD und ist
exakt dort in der RNA-Polymerase II lokalisiert, wo die wachsende RNA
aus dem Enzym austritt. Weniger komplexe Organismen wie zum Beispiel
der Fadenwurm oder die Bäckerhefe haben mit 36 beziehungsweise 26
Wiederholungen deutlich kürzere CTD-Strukturen und viele Einzeller und
Bakterien haben diese Struktur nie entwickelt.
Obwohl die Notwendigkeit der CTD-Struktur für die Genexpression in
höheren Lebewesen heute gut belegt ist, sind die molekularen Details,
wie die Reifung der unterschiedlichen RNAs gesteuert wird, noch
weitgehend unverstanden. Die Arbeitsgruppen von Dirk Eick und Shona
Murphy konnten jetzt erstmals zeigen, dass durch die Modifizierung -
genauer: die Phosphorylierung - der Aminosäure Serin an Position 7 in
der CTD-Struktur die Reifung der RNA eines ganz bestimmten Gens
gesteuert wird, nicht jedoch die Reifung der RNAs anderer Gene. Damit
ist die Grundlage geschaffen, das Bild der zellulären Genregulation
durch neue Puzzle-Stücke weiter zu vervollständigen. Die Aufklärung
von Mechanismen der Genregulation ist von grundlegender Bedeutung und
notwendig, um Krebs und andere Erkrankungen auf molekularer Ebene
besser zu verstehen und gezielter behandeln zu können.
Quellen und Artikel:
-
Rob D. Chapman, Martin Heidemann, Thomas K. Albert, Reinhard
Mailhammer, Andrew Flatley, Michael Meisterernst, Elisabeth Kremmer,
and Dirk Eick: Transcribing RNA Polymerase II Is Phosphorylated at CTD Residue
Serine-7.
In: Science 14 December 2007;
Vol. 318. no. 5857, pp. 1780 - 1782; DOI: 10.1126/science.1145977.
-
Sylvain Egloff, Dawn O'Reilly, Rob D. Chapman, Alice Taylor, Katrin
Tanzhaus, Laura Pitts, Dirk Eick, and Shona Murphy: Serine-7 of the RNA Polymerase II CTD Is Specifically Required
for snRNA Gene Expression.
In: Science 14 December 2007;
Vol. 318. no. 5857, pp. 1777 - 1779; DOI: 10.1126/science.1145989.
-
Quelle:
GSF -
Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit